Annika Kahrs. Infra Voice
Für »Infra Voice« beschäftigte sich die Künstlerin mit Infraschall, mit Frequenzen unterhalb von etwa 20 Hertz, die so tief sind, dass sie das menschliche Gehör kaum mehr wahrnehmen kann. Einige Tierarten kommunizieren mit Tönen dieser Frequenzen, etwa Giraffen. Unser Bild von eleganten Riesen, die langbeinig und grazil durch die Savanne streifen, ist zweifellos auch davon geprägt, dass die Tiere uns stumm erscheinen. Mit »Infra Voice« gibt Kahrs ihnen eine Stimme, und zwar nicht, was möglich wäre, durch Transponierung ihrer Laute und Töne in den hörbaren Bereich, sondern durch Musik.
Denn dass die menschliche Wahrnehmung im Infraschallbereich an ihre Grenzen stößt, heißt nicht, dass Menschen nicht versucht haben, in diese Bereiche vorzustoßen. Der Geigenbauer Jean-Baptiste Vuillaume erfand zu genau diesem Zweck 1850 den Oktobass, das größte je gebaute Streichinstrument, das die Möglichkeiten der Musik in den Bassbereich erweiterte. Ein Oktobass wiegt deutlich über hundert Kilogramm und misst beinahe vier Meter. Gespielt wird er wie ein Kontrabass, allerdings werden die Saiten nicht gegriffen, sondern über Bügel gedrückt, die über Griffe und Fußpedale betätigt werden können. Das Instrument setzte sich nie durch, doch existieren einige wenige Exemplare und Nachbauten. Aus der merkwürdigen Koinzidenz der Giraffenkommunikation mit dem kuriosen Streichinstrument entwickelte Kahrs ihre Videoinstallation.
Die Dimensionen ihrer Protagonisten aufnehmend, konfrontiert sie die Giraffen des Hamburger Tierparks Hagenbeck mit einer eigens geschriebenen Komposition für Oktobass der Norwegerin Guro Skumsnes Moe. Auf der Basis einfacher Analogien – Größe, Form, Klang – entwickelt sich in der räumlichen Installation dreier hochformatiger Leinwände ein komplexes Zusammenspiel der Blickbeziehungen, der Mikroperspektiven beim Abtasten der Körper von Instrument und Tier und des Verlaufs der Zeit über einen Tag hinweg bis zur Giraffendämmerung.
Regierungsstraße 4-6, 39104 Magdeburg